In unserem letzten Post haben wir das Thema disruptive angeschnitten, was für viele zuerst mal nur ein Schlagwort ist. Heute möchten wir ein bisschen genauer darauf eingehen.
Was bedeutet disruptive?
Jeppe Hau Knudsen (JHK): Disruptive ist, wenn eine neue Dienstleistung sich aufstellt und andere Branchen und Dienstleistungen komplett unter sich vergräbt, sodass diese nicht mehr existieren können.
Das hat eigentlich viel mehr mit Geschwindigkeit zu tun als mit Technologie. Beispiel Airbnb: Die mussten keine Hotels bauen, sie haben quasi die Dienstleistung ‘Übernachtung’ neu erfunden ohne dabei Masse bewegen zu müssen. Diese Dienstleistung ist nicht viel anders als vorher, aber was den Markt überrascht hat, war, dass man Millionen von Menschen über Nacht damit erreichen konnte. Damit kann keine Hotelwirtschaft mithalten.
Das fällt dann wieder darauf zurück, dass Unternehmen nicht verstanden haben, was es heißt, Kundenwünsche schnell genug in die Produktlandschaft umzusetzen.
Wie kommt es dazu, dass solche Entwicklungen verschlafen werden?
Jochen Carle (JC): Ich glaube es ist ein Zielkonflikt. Siehe Kodak: Sie wussten, wie man digitale Bilder macht, aber sie haben sehr viel Geld verdient mit Rollfilmen und Polaroids. Wenn ein Unternehmen, das noch dazu Shareholdern verantwortet ist, vor so einer Entscheidung steht — gehe ich eine Wette auf digitale Bilder ein, um vielleicht Geld zu verdienen oder mache ich weiter das, was wir schon können — da ist das schon verständlich, dass sie dann sagen, wir machen so weiter wie bisher.
Es ist ganz schwierig, in so einer Struktur eine Substruktur zu erzeugen, die eigentlich nur ein Ziel hat, nämlich das Mutterunternehmen zu zerstören. Denn in einer ernsthaft digitalen Bilderwelt, braucht man schließlich keine physischen Bilder mehr (zumindest nicht für den gewöhnlichen Bedarf).
JHK: Es fängt ja damit an, dass ganz wenige die Zukunftstrends so richtig ernst nehmen und daraus eine Vision für das Unternehmen schaffen.
Es ist tatsächlich so, dass man entweder der Erste oder der Günstigste im Markt sein muss, um zu überleben. In der Automobilindustrie ist Tesla der Erste, der ernsthafte Angebote für Elektromobilität schafft.
JC: Und die Chinesen besetzen die ‘am günstigsten’ Position. Wenn jetzt ein deutscher Automobilkonzern mehr als 5 Jahre zu spät auch in den Markt eintritt, sind die beiden Außenpositionen schon besetzt. Eine neue Erfahrung für ein Land und Unternehmen, die bis jetzt immer die Ersten waren.
JHK: So wie Jochen gesagt hat, auf der einen Seite wollen sie ein sicheres Blatt spielen, auf der anderen Seite muss man sagen, wer auch immer das strategische Management macht, macht das ganz jämmerlich. Es ist tatsächlich nicht so schwierig vorauszusehen, dass die fossilen Brennstoffe irgendwann mal ein Ende finden werden. Statt sich dann konsequent auf die nächste Ebene zu begeben, beschäftigt man sich lieber damit, Technologie für Autos zu machen, die eigentlich schon am Ende ihres Entwicklungszyklus angekommen sind.
Es herrscht so eine Trittbrettfahrermentalität, nach dem Motto ‚das machen wir jetzt auch mal‘ — so richtig neu, groß und anders Denken ist zumindest in der allgemeinen Öffentlichkeit nicht bekannt. Es ist schon fast ein Stück Feigheit, man ist nicht mutig genug, das zu machen was notwendig ist.
JC: Es gibt beliebig viele Gründe und oder Ausreden, warum man diese notwendigen Dinge nicht tut, aber ich glaube, wenn man wirklich dem Unternehmen verpflichtet ist und nicht nur seiner persönlichen Karriere, dann muss man dafür sorgen, dass das Unternehmen sich zukunftssicher aufstellt und somit auch in 10, 20, 30 Jahren noch funktioniert.
Im Automobilfeld müssen Themen wie Fuel Cell oder elektrische Antriebe ernsthaft betreiben werden, weil es nicht sein kann, dass ein Internet-Knipser aus Südafrika es schafft, Autos in durchaus vernünftiger Qualität zu einem sehr ordentlichen Preispunkt zu produzieren, die sogar in einigen Märkten in Summe besser verkauft werden als Limousinen der deutschen Premium Marken.
Machen wir uns nichts vor, die Tesla Roadster waren am Anfang ‘technisch anspruchsvolle’ Autos. Natürlich handwerklich nicht so gut wie eine S-Klasse oder ein 7er BMW, aber trotzdem wurden sie gekauft und trotzdem gibt es das Unternehmen heute immer noch und trotz allen Pfeifen im Wald wird es auch das Modell 3 geben. Diese neue Modell wird in Stückzahlen produziert werden, dass es den armen Jungs in München, Ingoldstadt und Stuttgart Angst und Bange werden wird.
JHK: Das is ja auch ein kulturelles Defizit, das wir hier haben. Sei es nur, dass es an Visionären fehlt, die sich vorne hinstellen und von wirklichen Visionen sprechen. Ich kenne namentlich keinen einzigen Unternehmenslenker der erwähnten Firmen, die dieses Prädikat verdienen.
Dadurch, dass wir „gekauftes“ Management in den Konzernen haben, scheint auch ein fehlendes Interesse daran zu bestehen, mehr als die eigene Legislaturperiode vorauszudenken. Das ist fast wie bei unseren Politikern.
Bei den mittelständischen Unternehmen, die noch eigentümergeführt sind, sieht das viel besser aus. Dort ist das Interesse viel vitaler, auch in 20 Jahren für die Kinder und Enkel auch noch eine Aufgabe und ein Einkommen zu haben.
Man muss verstehen, dass die Kernkompetenz sich nicht unbedingt im Produkt versteht, sondern vielmehr darin, wie man seine Kunden glücklich machen kann.
Das Produkt muss sich über die Jahrzehnte hinweg dauernd verändern, im Zweifel so sehr, dass man es nach 10 Jahren gar nicht mehr wiedererkennen kann. Für die jetzige Generation der 20- bis Anfang 50-Jährigen, die die Unternehmen nach vorne führen müssen, heißt das auch, sich ein Stück weit von dem abzutrennen, was bisher in der Unternehmensgeschichte gemacht wurde.
Es gibt bei jedem Unternehmen, jedem Produkt, das wir bisher gesehen haben, bestialisch viele Möglichkeiten, die nicht wahrgenommen werden, weil es irgendwie unbequem ist oder weil man immer noch zu sehr fokussiert ist auf das, was man bisher gemacht hat.
JC: Guter Punkt zum Thema Kundenbedürfnis. Ich glaube, wenn man ganz genau hinschaut, stellt man fest, dass die erfolgreichen Unternehmen immer am Anfang sehr erfolgreich waren, da sie sehr konsequent das gemacht haben, was der Kunde eigentlich wollte. Sei es indem sie Presswerkzeuge, Halterungen für Maschinen oder Magnetwände hergestellt haben. Die Gründer haben genau verstanden und dann den Kundenwunsch in ein Produkt umgesetzt. Aber auf der Strecke wird plötzlich das Produkt immer wichtiger und irgendwann glauben alle, es geht um das Auto, dabei geht es dem Kunden eigentlich um Mobilität. Und wie bei der Milch, muss man die Kuh nicht kaufen, nur um Milch trinken zu können.
Wie muss man vorgehen, um disruptive erfolgreich zu gestalten?
JC: Man sollte den Teil des Unternehmens, der sich um die disruptiven Themen kümmert, ausgründen. Solange man die Möglichkeit hat, in die gemütliche Konzernzentrale zurückzukehren, wenn es doch nicht klappt, kann das gar nicht funktionieren. Da wird keine Energie freigesetzt, da ist keine Angst, dass es nicht klappt. Und wenn du keinen Druck hast, dass es nicht klappt, dann hast du nur halb so viel Kreativität.
Vor allem aber muss man den Willen und den Mut haben, 10, 20 Jahre vorauszudenken. Dann ist das Risiko, von disruptive mal geschwind in der Kurve getroffen zu werden, relativ gering.
#Uber
JC: Paradebeispiel für Hardcore kapitalistisches Disrupten. Völlig rücksichtslos gegen alle Beteiligten und staatliche Regelungen. Enthält viele kulturelle Elemente, die ethisch anspruchsvoll sind, aber das ist auch nicht anderes als das, was die Eisenbahn-Barone der Jahrhundertwende gemacht haben — Schienen verlegt durch Orte, wo früher noch Büffel und Native Indians gelebt haben.
#responsive
JC: Als Tool oder Methode um eine Website aufzubauen eine schlaue Idee, weil es das Formatproblem auflöst — kleiner/großer Rechner/Bildschirm, hochkant/längs. Wenn man sich bewusst auf dem Smartphone Websiten anschaut, stößt man öfters auch auf Seiten, auf denen die Schrift winzig ist. Da merkt man, wie wenig sich auf den Empfänger eingelassen wird. Stichwort Kundenorientierung/-bedürfnis.